Gastronomen und Bioläden drängen in die City
IZ (Immobilien Zeitung) vom 08.08.2019
Die Schließungswelle im Modeeinzelhandel reißt nicht ab. Die freien Flächen in den Innenstädten übernehmen neben den Discountern vor allem Gastronomen und Biosupermärkte. Die allerdings sind knausriger bei der Miete und geben sich auch mal mit der B-Lage zufrieden.
Die Nachrichten über Schließungen von Filialen des Modeeinzelhandels waren im ersten Halbjahr 2019 ein Dauerthema. Das schlägt sich nun in der innerstädtischen Vermietungsstatistik nieder. Die beiden wichtigsten Mietergruppen in Deutschland Fashion und Gastronomie – bewegen sich hier erstmals auf Augenhöhe. Während BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) den Textilien zur Jahresmitte noch einen Marktanteil von 24% zubilligt, kommt TLL für die Modehändler im ersten Halbjahr auf einen Flächenumsatz von nur 23%. Beide Immobiliendienstleister sind sich einig, dass die Food-Betriebe mit 25% Marktanteil mittlerweile die Nase vorn haben, zu denen JLL allerdings auch den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) rechnet.
Wie die Gastronomen sind auch die Lebensmittelhändler im Schnitt deutlich mietsensitiver als die Modehändler. Unter Berücksichtigung der Flächen außerhalb der Innenstädte sind die deutschlandweiten Durchschnittsmieten im Lebensmitteleinzelhandel seit 2018 sogar gesunken. Sie lagen je nach Jahr der Anmietung zwischen gerade mal 8,22 Euro/m² und 11,25 Euro/m², heißt es im Trendreport Lebensmitteleinzelhandel 2019 der Bewerterfirma DIWG valuation, der dieses Jahr zum vierten Mal erscheint. Wird der Zeitraum von 2000 bis 2018 betrachtet, ergebe sich jedoch insgesamt noch ein leicht positiver Trend. Weiterhin intakt ist die Entwicklung hin zu mehr Gesamtverkaufsfläche im LEH bei gleichzeitig abnehmender Anzahl der Verkaufsstellen. Zwischen 2009 und 2018 ging die Anzahl der LEH-Verkaufsstellen um etwa 7% zurück, während die Verkaufsfläche des Segments um ca. 8,7% zulegte.
Auffällig ist bei den Lebensmittlern nach wie vor das starke Umsatz- und Filialwachstum der Biosupermärkte. Gerne übernehmen diese Flächen, die den Lebensmitteldiscountern wie Aldi, Lidl & Co. zu klein geworden sind. Dabei handelt es sich um Märkte mit einer typischen Größe von 600 m² bis 800 m². Den Vermietern dürfte das zur Freude gereichen: ,,Biosupermärkte haben als Nachmieter ehemaliger Discounterflächen stark an Bedeutung gewonnen und zahlen zudem Mieten, die auf oder meist sogar über dem Niveau von Lebensmitteldiscountern liegen“, heißt es im DIWG-Trendreport.
Zusammengenommen führt der Wandel in der Mieterstruktur, weg von Mode und hin zu Restaurants und Biomärkten, jedoch in vielen Innenstädten zu sinkenden Spitzenmieten. TLL errechnete im Fünfjahresrückblick ein Minus von 9% für Standorte unter 100.000 Einwohner und ein Absinken von 8% in Städten, die zwischen 100.000 und 250.000 Einwohner haben. Selbst in Großstädten bis zu 500.000 Einwohnern sanken die Spitzenmieten um 6%, lediglich die Metropolen verbuchten ein kleines Plus von 1 %. Zu diesen A-Städten oder „Big 10″ der Retailstandorte zählen BNPPRE und JLL im Retailbereich nicht nur die sieben üblichen Verdächtigen – also Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart-, sondern auch Hannover, Leipzig und Nürnberg.
Den deutschen Gesamtumsatz mit innerstädtischen Ladenflächen beziffert BNPPRE von Januar bis Juni 2019 auf rund 300.000 m², JLL errechnete 284.250 m². In innerstädtischen Lagen von A-Städten zählte das Maklerhaus im ersten Halbjahr 2019 rund 200 Vermietungen bzw. Eröffnungen, die sich zu einem gesamten Vermietungsumsatz von knapp 80.000 m² addierten. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres war in den Citylagen der A-Städte noch spürbar mehr los gewesen: Damals wurde ein Flächenumsatz von 90.000 m² registriert. Ein erklecklicher Anteil des aktuellen Vermietungsgeschehens in deutschen Innenstadtlagen geht laut BNPPRE auf das Konto der sogenannten B-Städte. Dazu zählen viele Studentenstädte wie Münster, Würzburg oder Heidelberg. Die Erklärung: Systemgastronomen, Supermärkte und Discounter sehen in Studenten eine wachsende Zielgruppe und wollen möglichst nahe am Verbraucher sein – und das heißt: in den Citylagen.
hat/cvs/us